Ernst DEGNER
* 1931 - † 1983

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Ergebnis
WM-Lauf
Motorradmarke
Rennstrecke
1957 6. Platz Kl. 125 ccm Deutschland MZ Hockenheimring
13. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 125 ccm (1 Punkt)
1958 5. Platz Kl. 125 ccm Großbritannien MZ Clypse Course
6. Platz Kl. 125 ccm Niederlande MZ Assen
3. Platz Kl. 125 ccm Deutschland MZ Nürburgring-Nordschleife
5. Platz Kl. 125 ccm Schweden MZ Hedemora
4. Platz Kl. 250 ccm Irland MZ Dundrod
7. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 125 ccm (9 Punkte)
14. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 250 ccm (3 Punkte)
1959 6. Platz Kl. 125 ccm Deutschland MZ Hockenheimring
6. Platz Kl. 250 ccm Niederlande MZ Assen
4. Platz Kl. 250 ccm Schweden MZ Kristianstad
3. Platz Kl. 125 ccm Irland MZ Dundrod
3. Platz Kl. 250 ccm Irland MZ Dundrod
1. Platz Kl. 125 ccm Nationen MZ Monza
2. Platz Kl. 250 ccm Nationen MZ Monza
5. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 125 ccm (13 Punkte)
4. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 250 ccm (14 Punkte)
1960 5. Platz Kl. 125 ccm Niederlande MZ Assen
6. Platz Kl. 250 ccm Niederlande MZ Assen
1. Platz Kl. 125 ccm Belgien MZ Spa-Francorchamps
3. Platz Kl. 125 ccm Irland MZ Dundrod
3. Platz Kl. 125 ccm Nationen MZ Monza
3. Platz Kl. 250 ccm Nationen MZ Monza
3. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 125 ccm (18 Punkte)
8. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 250 ccm (5 Punkte)
1961 2. Platz Kl. 125 ccm Spanien MZ Montjuic
1. Platz Kl. 125 ccm Deutschland MZ Hockenheimring
4. Platz Kl. 250 ccm Deutschland MZ Hockenheimring
2. Platz Kl. 125 ccm Frankreich MZ Clermont-Ferrand
4. Platz Kl. 125 ccm Belgien MZ Spa-Francorchamps
1. Platz Kl. 125 ccm DDR MZ Sachsenring
2. Platz Kl. 125 ccm Irland MZ Dundrod
1. Platz Kl. 125 ccm Nationen MZ Monza
2. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 125 ccm (45 Punkte)
13. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 250 ccm (3 Punkte)
1962 5. Platz Kl. 125 ccm Frankreich Suzuki Clermont-Ferrand
1. Platz Kl. 50 ccm Großbritannien Suzuki Snaefell Mountain Course
1. Platz Kl. 50 ccm Niederlande Suzuki Assen
4. Platz Kl. 125 ccm Niederlande Suzuki Assen
1. Platz Kl. 50 ccm Belgien Suzuki Spa-Francorchamps
1. Platz Kl. 50 ccm Deutschland Suzuki Solitude
4. Platz Kl. 50 ccm Finnland Suzuki Tampere
2. Platz Kl. 50 ccm Argentinien Suzuki Buenos Aires
Weltmeister Klasse 50 ccm (41 Punkte)
11. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 125 ccm (5 Punkte)
1963 3. Platz Kl. 50 ccm Deutschland Suzuki Hockenheimring
1. Platz Kl. 125 ccm Deutschland Suzuki Hockenheimring
2. Platz Kl. 50 ccm Frankreich Suzuki Clermont-Ferrand
4. Platz Kl. 125 ccm Frankreich Suzuki Clermont-Ferrand
3. Platz Kl. 125 ccm Großbritannien Suzuki Snaefell Mountain Course
1. Platz Kl. 50 ccm Niederlande Suzuki Assen
2. Platz Kl. 50 ccm Belgien Suzuki Spa-Francorchamps
2. Platz Kl. 50 ccm Argentinien Suzuki Buenos Aires
3. Platz Kl. 125 ccm Japan Suzuki Suzuka
3. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 50 ccm (30 Punkte)
6. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 125 ccm (17 Punkte)
1964 3. Platz Kl. 125 ccm Nationen Suzuki Monza
1. Platz Kl. 125 ccm Japan Suzuki Suzuka
6. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 125 ccm (12 Punkte)
1965 Deutscher Meister Klasse 125 ccm
1. Platz Kl. 50 ccm USA Suzuki Daytona
2. Platz Kl. 125 ccm USA Suzuki Daytona
4. Platz Kl. 125 ccm Deutschland Suzuki Nürburgring-Südschleife
3. Platz Kl. 50 ccm Frankreich Suzuki Rouen
2. Platz Kl. 125 ccm Frankreich Suzuki Rouen
3. Platz Kl. 50 ccm Großbritannien Suzuki Snaefell Mountain Course
5. Platz Kl. 50 ccm Niederlande Suzuki Assen
1. Platz Kl. 50 ccm Belgien Suzuki Spa-Francorchamps
1. Platz Kl. 125 ccm Irland Suzuki Dundrod
4. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 50 ccm (26 Punkte)
4. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 125 ccm (23 Punkte)
1966 4. Platz Kl. 50 ccm Großbritannien Suzuki Snaefell Mountain Course
6. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 50 ccm (3 Punkte)

Ein Weltmeister namens Ernst Wotzlawek
Als Ernst Eugen Wotzlawek am 22.September 1931 in Gleiwitz geboren (sein Vater nahm später den Namen Degner an), teilte Ernst das Los vieler Menschen seiner Generation. Die Invasion der "Wehrmacht" kehrte sich im Laufe des 2.Weltkrieges um, und insbesondere die Bewohner der damaligen deutschen Ostgebiete mussten den Wahn vom "Lebensraum" mit dem Verlust der Heimat und all ihrer Habseligkeiten bitter bezahlen. Kurz vor Kriegsende kam Ernsts Vater ums Leben. Die verbliebene Familie, bestehend aus der Mutter, ihm und seiner ein Jahr älteren Schwester, fand in Luckau - südöstlich von Berlin - eine neue Bleibe. Ein halbes Jahr später starb auch die Mutter, offensichtlich in Folge all der seelischen und körperlichen Strapazen.

Ernst - an allem mit der Motorisierung Zusammenhängendem stark interessiert - absolvierte erfolgreich die Lehre als KFZ-Mechaniker in einer Luckauer Werkstatt. Dann wechselte er nach Potsdam, im Wesentlichen zum Zwecke des Studiums an der dortigen Ingenieurschule. Dieses schloss er mit dem Diplom als Entwicklungs-Ingenieur ab. Die Tätigkeit in einem Konstruktionsbüro, welches aber keine KFZ-Entwicklungsarbeit leistete, sicherte ihm in der Folge ein für damalige Verhältnisse gutes Einkommen.

Sein Interesse am Rennsport war schon immer sehr groß, und da er ein Mann der Tat war, setzte er dieses bald um. Die ersten Motorräder - darunter ein 98-ccm-Motorrad - baute er selbst auf. Mit der Aufnahme in den Motorrad-Club Potsdam (später BSG Lok Potsdam) begann eine Karriere, die von großen Erfolgen, letztlich aber von menschlichen Irrungen und Wirrungen sowie Tragik geprägt war.

Zu den profiliertesten Mitgliedern des Potsdamer Clubs zählten Zweitakt-Spezialist Daniel Zimmermann sowie Bernhard Petruschke. Ein weiteres Clubmitglied war Hubert Rose. Dieser wurde zum einen Ernsts erster Rennmonteur; zum anderen gehörte zu dessen Freundeskreis die junge, hübsche Gerda Bastian. Zwischen Gerda und Ernst muss es gleich "gefunkt" haben; sie wurden ein unzertrennliches Paar.

In der Nachwuchs- und Ausweisklasse (ja, damals musste man sich noch sportlich für die Lizenz qualifizieren!!) erzielte er mit Hilfe der Unterstützung des Clubs gute Resultate. 1954 war seine erste Lizenz-Saison, die er letztendlich auf einer von Bernhard Petruschke erworbenen ZPH (so benannt nach deren Entwicklerteam Zimmermann-Petruschke-Henkel) erfolgreich beendete. 1955 wurde er DDR-Vizemeister. Walter Kaaden, gegen den er noch in seiner Anfangszeit gefahren war, holte ihn Ende der Saison als Techniker und Rennfahrer nach Zschopau. Gemeinsam mit Gerda, die im Zschopauer Werk ebenfalls eine Anstellung bekam, zog Ernst zuerst nach Zschopau und dann nach Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz). Am 1.Oktober 1957 heirateten sie. Die Feier fand im Hotel "Chemnitzer Hof" statt.

Aus IFA war Anfang 1956 MZ geworden, die Werksfahrer waren nun Horst Fügner, Ernst Degner, Werner Musiol und Walter Brehme (die beiden Letztgenannten hatten den Status von Clubfahrern mit Werksunterstützung). MZ war längst international aktiv, und 1958 erfolgte erstmals die Teilnahme an der kompletten Weltmeisterschaft.

Die ersten WM-Podestplätze für MZ hatten Ernst Degner (3.Platz 125 ccm) und Horst Fügner (2.Platz 250 ccm) am 20.Juli auf dem Nürburgring erzielt. Horst Fügner war es vorbehalten, eine Woche später den ersten Weltmeisterschaftslauf für MZ im schwedischen Hedemora zu gewinnen. Er wurde im gleichen Jahr Vizeweltmeister; leider endete seine hoffnungsvolle Karriere am 5.Juli 1959 nach einem schweren Sturz im belgischen Spa-Francorchamps. Glücklicherweise gesundheitlich wiederhergestellt, wurde er in der Folge als Techniker und Berater für das Team um Walter Kaaden unersetzlich.

Wer den Namen Degner bis dato noch nicht wahrgenommen hatte, tat dies garantiert nach dem Grand Prix von Italien 1959. Am Ende einer Saison, während der Gary Hocking das Leistungsvermögen der 250-ccm-MZ so eindrucksvoll demonstrierte, dass Graf Agusta diese "Gefahr" abwarb, fuhr Ernst in Monza die wahrscheinlich besten Rennen seiner Karriere. War er dem 250-ccm-Sieger Carlo Ubbiali (MV Agusta) noch bei Zeitgleichheit unterlegen, so schlug er diesen bei den "Kleinen" mit dem Minimalvorsprung von 1/10 Sekunde. Der "abtrünnige" Hocking kam sicher ins Grübeln darüber, ob der Wechsel von MZ zu MV richtig gewesen war. Sein Ex-Teamkollege hatte ihn "versägt" - Gary wurde 6. bei den 125ern, in der Viertelliterklasse blieb er punktlos!Der dritte Gesamtrang der 125-ccm-WM 1960 war das Ergebnis von Ernst Degners zweitem Grand-Prix-Sieg - diesmal in Spa-Francorchamps (MZ-Teamkollege John Hempleman wurde Zweiter) und zwei 3.Plätzen im Ulster Grand-Prix und in Monza. Die MZ waren immer schneller und endlich auch standfester geworden. Daran hatte Ernst Degner sowohl als Fahrer als auch als Techniker großen Anteil.

Familiär hatte sich auch einiges verändert; 1959 war Olaf geboren worden, im Juni 1961 der zweite Sohn, Boris. 1961 sollte zu einem Schicksalsjahr für die Familie Degner werden. MV Agusta hatte die Beteiligung in den von MZ beschickten Klassen eingestellt, Honda war nun Hauptkontrahent. Die Saison entwickelte sich so, dass der Gewinn des 125-ccm-Weltmeistertitels für Ernst Degner und MZ immer greifbarer wurde. Nach drei Siegen in Hockenheim (Shepherd, Brehme und Fischer vervollständigten den MZ-Triumph als 2.-4.), auf dem Sachsenring und in Monza fuhr Ernst mit einer knappen WM-Führung im September zum Grand Prix von Schweden. Der Titelgewinn wäre zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich schon perfekt gewesen, hätte ein Sturz in Assen nicht zum Ausfall des MZ-Spitzenmannes geführt. Infolge dieses Sturzes war er eine Woche später in Spa-Francorchamps noch so gehandikapt, dass der 4.Platz das Optimum war.

Eklatante wirtschaftliche Kontraste zwischen Ost und West hatten mittlerweile zu einer enormen Abwanderungswelle aus der DDR geführt. Deren politische Führung sah kein anderes Mittel zur Eindämmung dieser Entwicklung als die radikale Schliessung der Westgrenze mittels des Mauerbaues Mitte August 1961. Zuerst wurde Berlin völlig getrennt, dann die gesamte innerdeutsche Grenze hermetisch abgeriegelt. Zwischenmenschliche Verbindungen wurden auseinandergerissen, der Staat erklärte seine Einwohner praktisch zu seinem Eigentum. Wer es trotzdem wagte, sich dieser Willkür zu entziehen, riskierte sein Leben.

Das Geschehen um das Wochenende des 15.-17. September 1961 ist aus verschiedensten Blickwinkeln kommentiert worden. Die im MZ-Team damals vorhandene Enttäuschung und Verbitterung nach Ausfall ihres Titelanwärters und dessen Flucht in den "Westen" ist verständlich, nahm er doch letztendlich auch firmeninterne Kenntnisse zu Suzuki mit. Aber: heute tut das wohl jeder Manager oder Techniker beim Wechsel von einer Firma in die andere - wird er deswegen als Verbrecher bezeichnet oder behandelt?!?

Die Flucht der Familie Degner - Gerda mit den kleinen Söhnen flüchtete bekanntlich unter hohem Risiko - war vorrangig eine menschliche Tragödie. Sie war - trotz der gewissen Privilegierung von Sportlern wie Ernst Degner - im Wesentlichen ein Produkt der eingeschränkten Freiheit auf der östlichen Seite des "Eisernen Vorhanges". Betrachtet man die Entwicklung nach 1961 - politische Reaktionen westlicher Länder führten u.a. zu jahrelangen Startverhinderungen der DDR-Fahrer, so wäre für Ernst Degner bei einem Verbleib im "Osten" die internationale Rennsportkarriere zu Ende gewesen.

1962 wurde er dann auf Suzuki erster 50-ccm-Weltmeister und gleichzeitig erster Titelträger auf einem Zweitakt-Motorrad. Leider nahm sein weiteres Leben aber einen traurigen Verlauf. Am 10. November 1963 stürzte er mit der neuen 250-ccm-Suzuki in der ersten Runde des Grand Prix von Japan in Suzuka schwer und drohte in den Flammen des ausgelaufenen und entzündeten Kraftstoffes zu verbrennen. Sein Leben konnte gerettet werden, aber eine große Zahl von Operationen und Hauttransplantationen auch im Gesicht veränderten nicht nur sein Aussehen (auf das er immer großen Wert gelegt hat). Seine Psyche war stark in Mitleidenschaft gezogen. Trotz weiterer Rennerfolge (u.a. vier Grand-Prix-Siege) konnte er sein inneres Gleichgewicht nur noch mittels starker Medikamente herstellen und beendete die Rennkarriere 1966. Die extremen menschlichen Veränderungen ließen Gerda keine andere Wahl, als sich von ihm zu trennen. 1972 wurde die Ehe geschieden.

Ernst Degner fand niemals mehr wirklich zu sich selbst. Alle medizinischen Behandlungen waren letztendlich erfolglos. Nach verschiedenen Anstellungen wieder für Suzuki tätig, hatte er 1978 den ersten Kontakt mit den Kanarischen Inseln. Auf Teneriffa erwarb er eine Wohnung, sein Leben blieb aber fortan unstet. Der körperliche und seelische Zustand verschlechterte sich zusehends.

Man muss es Gerda Degner und den Söhnen hoch anrechnen, dass sie - selbst in Deutschland wohnend - ihn nicht im Stich ließen. Auf einen Hilferuf aus Teneriffa hin wollte Olaf seinen Vater nach Deutschland holen. Er fand ihn aber am 8.September 1983 nur noch tot in seiner Wohnung. Auf dem Friedhof von Arona wurde ein Mann zur letzten Ruhe gebettet, dem man mehr Lebensglück gewünscht hätte.

Textcopyright: Frank Bischoff

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