
Hans BALTISBERGER
* 1922 - † 1956
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Ergebnis
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WM-Lauf
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Motorradmarke
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Rennstrecke
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| 1952 | 6. Platz Kl. 500 ccm | Deutschland | BMW | Solitude |
| 18. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 500 ccm (1 Punkt) | ||||
| 1954 | 4. Platz Kl. 250 ccm | Frankreich | NSU | Reims |
| 4. Platz Kl. 125 ccm | Großbritannien | NSU | Clypse Course | |
| 6. Platz Kl. 250 ccm | Großbritannien | NSU | Snaefell Mountain Course | |
| 3. Platz Kl. 125 ccm | Irland | NSU | Dundrod | |
| 2. Platz Kl. 250 ccm | Irland | NSU | Dundrod | |
| 4. Platz Kl. 125 ccm | Niederlande | NSU | Assen | |
| 3. Platz Kl. 250 ccm | Niederlande | NSU | Assen | |
| 6. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 125 ccm (10 Punkte) | ||||
| 5. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 250 ccm (14 Punkte) | ||||
| 1955 | Deutscher Meister Klasse 250 ccm | |||
| 2. Platz Kl. 250 ccm | Nationen | NSU | Monza | |
| 9. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 250 ccm (6 Punkte) | ||||
| 1956 | Deutscher Meister Klasse 250 ccm | |||
| 3. Platz Kl. 250 ccm | Großbritannien | NSU | Snaefell Mountain Course | |
| 4. Platz Kl. 250 ccm | Deutschland | NSU | Solitude | |
| 8. Endrang Weltmeisterschaft Klasse 250 ccm (7 Punkte) | ||||
| Tödlich verunglückt beim Großen Preis der CSSR auf dem Masaryk-Ring | ||||
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Der schnelle Jean - Erinnerungen
an Hans Baltisberger
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| Am
19.August 1956 saß ich im Alter von 12 Jahren viele Stunden des Tages
auf einer "Tribüne" der besonderen Art am Sachsenring. Es war
einer der Torpfeiler am Eingang zum "Bethlehemstift", einer Einrichtung
der evangelischen Kirche. Wenn ich mir diese noch heute dort stehende Säule
anschaue, so staune ich über meinen eigenen Enthusiasmus - bequem ist etwas
anderes!
Das "Bethlehemstift" befindet sich im inneren Ring des alten Kurses an dessen schnellstem Stück, dem "Heiteren Blick". Ich war fasziniert. Einer der Fahrer, die mich damals besonders beeindruckten, war Hans Baltisberger. Der Schwabe - bereits seit 1950 Gast am Sachsenring - startete 1956 in zwei Klassen. Im Rennen der 350-ccm-Maschinen hatte er sich mit einer auf 305 ccm aufgebohrten NSU-"Sportmax" - dem dominierenden Privatfahrer-"Gerät" der damaligen Zeit - der Überlegenheit von August Hobl und dessen 3-Zylinder-DKW beugen müssen; er wurde Zweiter. Die Viertelliter-Konkurrenz aber beendete er als souveräner Sieger. Damals war es noch schöne Sitte, dass die drei Bestplazierten im offenen Auto eine Ehrenrunde fuhren. In der heutigen Zeit, wo man bei Weltmeisterschaftsläufen nicht einmal die Zeit zu haben meint, die Nationalhymnen der Sieger vollständig zu intonieren, wäre das undenkbar. So aber bekamen die Zuschauer die Besten von Angesicht zu Angesicht zu sehen, und so sah ich auch Hans Baltisberger ohne Helm und Motorrad. Nebst allen anderen 250 000 Begeisterten ahnte ich nicht, daß es das letzte Mal gewesen sein sollte. Der Renntross zog weiter, um eine Woche später auf dem Brünner Masaryk-Ring den Grand Prix der Tschechoslowakei zu fahren. War Hans Baltisberger im 350er Rennen nach anfänglichem Duell mit Frantisek Stastny (Jawa) ausgefallen, führte er das Viertelliterrennen auf dem damals 17,8 km langen Kurs bis zur 5.Runde souverän an. Offenbar technische Probleme an seiner NSU führten dazu, daß Bob Brown und Horst Kassner (beide auch auf NSU-Sportmax) aufholen konnten. Das Trio passierte Start und Ziel nahezu gleichauf, und Horst Kassner, der sich seines späteren Sieges nicht freuen konnte, schilderte dem damaligen Mechaniker von Baltisberger, Albert Kleindienst, das folgende Geschehen so: "Hans fuhr vor der Linkskurve zwischen Zebetin und Kohoutovice, die bei trockener Straße mit 200 km/h durchfahren wurde,ca 150-200 Meter vor mir. Die kurz vorher noch nasse Straße war durch die Augustsonne bis zum Anfang des Waldes am Scheitelpunkt der Kurve bereits ganz abgetrocknet, im Schatten des Waldes aber noch nass und rutschig. Als Hans´ Maschine in den Bereich der nassen Fahrbahn kam, fing sie an zu schlingern. Ich habe sofort das Gas weggenommen und bin mit ausgespreizten Beinen durch die Stelle gefahren, an der Hans gestürzt war". Reutlingens großer Sohn starb am Nachmittag des 26.August 1956 den Rennfahrertod. 50 Jahre sind seitdem vergangen. Hans Baltisberger wurde am 10. September 1922 in Tübingen als Sohn des Arztes Dr. Wilhelm Baltisberger und dessen Frau geboren. 3 Schwestern, von denen Ilse und Mechthild noch heute in Reutlingen wohnen, und ein Bruder gehörten außerdem zur Familie. Hans absolvierte das Gymnasium sowie eine Lehre als Buchdrucker und Schriftsetzer. In einer vom "normalen" Entwicklungsweg eines Rennfahrers wohl abweichenden Art führte ihn sein Weg zur Kunstakademie nach Paris und nach Antwerpen. Die Zuneigung zu den schönen Künsten - er spielte auch ausgezeichnet Klavier, wobei er Gershwin bevorzugte - war es, die seinen Lebensweg zu bestimmen schien. Der Krieg und die anschließende - zum Glück kurze - amerikanische Kriegsgefangenschaft unterbrachen die Entwicklung. 1946 wurde er selbständiger Gebrauchsgraphiker und gründete die Firma "HABAL-Reklame". Wie so vieles in der damaligen Zeit, so fiel auch diese der Währungsreform zum Opfer. Sein erstes Motorradrennen sah er 1947. Es muß einen sehr starken Eindruck auf ihn ausgeübt haben. Nach ersten Rennversuchen auf einer 250-ccm-Victoria folgte 1948 die erste Saison als Ausweisfahrer. Fünf Rennen gewann er auf einer 500-ccm-Norton des Baujahres 1937. 1948 wurde auch sein Sohn Harald geboren, der später einer der angesehensten Apotheker der Gegend wurde, 2004 aber leider verstarb. Von Größe (1,69 m), Statur und Gewicht (ca. 60 kg) her brachte er Voraussetzungen mit, die sehr günstig waren und zu denen der eher schwergewichtigen Zeitgenossen der "Zunft" kontrahierten. Er war der Typ des Südländers, schlank und dunkelhaarig. Das und sicher auch die Tatsache, daß er ausgezeichnet Französisch sprach, lassen es verständlich erscheinen, daß aus Hans eben "Jean" wurde. Das ganze rennbegeisterte Reutlingen und alle seine Freunde nannten ihn so. Der Große Bergpreis am Freiburger Schauinsland war sein erstes Rennen als Lizenzfahrer.Es ging steil bergauf, und bereits zum Solituderennen 1951 winkte zum ersten Mal die Chance, Deutscher Meister zu werden. Doch im Duell mit dem Hauptkontrahenten Rudi Knees kollidierten beide in der letzten Kurve der letzten Runde und stürzten. Während Knees schwer verletzt wurde, versuchte Baltisberger die nicht einmal mehr rollende AJS 7R über den Zielstreifen zu ziehen. Wenige Meter vor der Ziellinie verließen ihn die Kräfte - der Titel war "futsch". Dieser Beweis seines unbändigen Kampfgeistes wird zweifellos dazu beigetragen haben, daß BMW ihn neben Georg und Hans Meier sowie Walter Zeller in das Werksteam aufnahm. Mit seiner privaten 350er-AJS 7R "Boy Racer" siegte er u.a. in Dieburg, Rostock, St.Wendel und beim Eifelrennen. Die BMW-Ausbeute waren der erste Weltmeisterschaftspunkt als Sechster auf der Solitude sowie national 3. Plätze in München-Riem und Hamburg.. Hans war immer ein Vielstarter - allein 1952 absolvierte er 42 verschiedene Rennen. 1953 fuhr er wieder eine Werks-Zweizylinder-Boxer des Münchner Werkes. Zwei 3. Plätze in Hockenheim und am Feldberg ergaben Meisterschaftsendplatzierung 4, dabei immerhin Walter Zeller hinter sich lassend. Den besten Meisterschaft-Einzelplatz der Saison aber erzielte er auf der privaten AJS - Zweiter im Hannoveraner Eilenriederennen. Ständiger Begleiter und Mechaniker in 4 Jahren war Albert Kleindienst, wie Hans aus Reutlingen stammend. Das gemeinsame Ziel der Beiden hieß: Deutsche Meisterschaft. Nachdem das 1951 und auch danach nicht erreicht werden konnte, wurde die Gemeinsamkeit durch ein an sich positives Ereignis 1954 unterbrochen. Der Drang, ausschließlich einem Werksteam mit all seinen "Segnungen" anzugehören, war auch einem grundsätzlich freiheitsliebenden Menschen wie Hans Baltisberger zu eigen. Dafür akzeptierte er auch Reglementierungen wie z.B. interne Stallorder. Nach einer sensationellen Saison 1953 war das Maß aller Dinge damals NSU. Hans hatte Ende 1953 Gelegenheit zu einer Probefahrt auf einer der NSU-Maschinen; in Konsequenz daraus schrieb er an die Rennabteilung in Neckarsulm quasi einen Bittbrief. Mit Erfolg: Das Team 1954 bestand aus Werner Haas, Rupert Hollaus, Hermann Paul Müller und Hans Baltisberger. Die Dominanz dieser "Vier Musketiere" im internationalen Renngeschehen ist wohl einmalig: 24 Starts - 24 Siege. Für Hans Baltisberger begann die 125-ccm-Weltmeisterschaft auf einer Rennfox mit einem vierten Rang auf der Isle of Man. Als Dritter in Ulster und wieder Vierter in Assen lag er aussichtsreich im Gesamktklassement. Noch besser lief es bei den Viertellitern; in Ulster trennten ihn nur ganze 2/10 Sekunden vom ersten Sieg in einem Weltmeisterschaftslauf. Und in Assen komplettierte er den NSU-Dreifachsieg hinter Haas und Hollaus. Die Solitude brachte ihm aber wieder kein Glück. Im Training brach er sich bei einem Sturz einen Knöchel sowie das Schulterblatt und fiel damit für die restlichen 3 Läufe aus. Die trotzdem erzielten Gesamtplätze 6 (125 ccm) und 5 (250 ccm) lassen ahnen, was ansonsten möglich gewesen wäre. Die Erkenntnis, die Werbewirksamkeit durch Rennerfolge nicht mehr steigern zu können, war der primäre Grund für die Auflösung des NSU-Werksteams Ende der Saison 1954. Dazu kam der tödliche Unfall von Rupert Hollaus in Monza. NSU hatte aber schon in jenem Jahr eine "Sportmax" entwickelt und davon eine relativ große Anzahl produziert. Das Werk aber betonte stets - so wie es auch MV-Agusta zu Beginn der 1960er Jahre tat - daß es sich um ein "Privat"-Motorrad handele. Für 1955 erhielten "Baltisberger & Co" das Angebot, gegen eine Leihgebühr von 2000 DM ein Motorrad nebst Ersatzmotor zu nutzen. Hans machte davon Gebrauch. Und Albert Kleindienst war wieder mit ihm zusammen. Es wurde das beste Jahr des Reutlingers. Nach hartem Kampf mit H.P.Müller errang er erstmals die Deutsche Meisterschaft. Siege im Eifelrennen, auf der Solitude sowie im Eilenriederennen gaben den Ausschlag zugunsten von "Jean". In der Weltmeisterschaft war er mit nur einem Punkterang als Neunter endplaziert. Aber dieses Rennen war der eigentliche Höhepunkt seiner Karriere. Wiederum trennte ihn nur der Bruchteil einer Sekunde vom Sieg in einem Weltmeisterschaftslauf. Winzige 3/10 Sekunden lag Carlo Ubbiali im Ziel vorn, und das in Monza. Die schnellste Runde mit Rundenrekord aber konnte ihm der Italiener nicht nehmen. 1956 wurde er in der 250-ccm-Weltmeisterschaft nach einem 3. Platz auf der Isle of Man und einem 4. Rang auf der Solitude Achter. Hans Baltisberger erlebte die letzten Meisterschaftsläufe auf der Avus bzw. in Monza nicht mehr. Nach der Überführung aus Brünn war er am 1.September im Reutlinger Ortsteil Betzingen unter der Anteilnahme tausender Menschen - unter ihnen H.P. Müller und Werner Haas - zu Grabe getragen worden. Albert Kleindienst hielt ihm auch nach dem Tod die Treue. Auf seine Bitte hin erlaubte Werbechef Germer von NSU, Roland Heck auf der Avus die Motoren seines Freundes Hans zur Verfügung zu stellen. Heck und Kassner kämpften so mit gleichwertigem Material rundenlang um den Sieg und fielen letztendlich beide mit Motorschaden aus. Hans Baltisberger war zum zweitenmal -tragischerweise nur posthum - Deutscher Meister. Am alten Masaryk-Ring nahe Brünn erinnert ein Gedenkstein, wo am 18.August 2006 eine Kranzniederlegung stattfand, an "Jean". Gepflegt wird die Anlage bezeichnenderweise auch von einem Mann aus der Sachsenringregion, Karl Ernst Müller aus Zwickau. Textcopyright: Frank Bischoff |